Das Herzchakra – Unser unzerstörbarer Kern

von Shai Tubali – Yoga Aktuell Okt-Nov/2024

 

Das Herz ist die Essenz unseres Wesens, unser innerstes Selbst. Wenn du dich mit deinem Herzen verbindest, bist du mit deinem Kern verbunden. Wenn dein Herz „geschlossen“ ist, verlierst du den Kontakt mit diesem Kern und verschließt ihn vor anderen. Als Zentrum unseres Wesens ist das Herz der Ort, an dem wir unsere tiefsten Entscheidungen treffen. Es definiert unsere Werte und gibt unserem Leben einen Sinn.

Wir verehren Menschen, die „ihrem Herzen folgen“ und trotz Hindernissen ihrem tiefsten Ruf entsprechend handeln. Das Herz ist mit Authentizität und Weisheit verbunden und leitet uns an, auf unser wahres Selbst zu hören. Es ist eine Quelle der Weisheit und der Wahrheit und wird oft als Wohnsitz der „Seele“ angesehen.

Auf Sanskrit wird das Herzchakra „anahata“ genannt, was so viel wie „ungeschlagen“ oder „unangetastet“ bedeutet. Das deutet darauf hin, dass das Herz unzerstörbar ist, auch wenn Herzen oft Schmerz empfinden, verletzt werden und brechen. In der yogischen Tradition gilt das Herz als unser unzerbrechlichster Teil. Um das nachvollziehen zu können, müssen wir über die oberflächliche Schicht des Herzens hinausgehen, die anfällig für Schmerz ist. Wir müssen nach innen sinken und den innersten Teil des Herzens entdecken, der unberührt von den Widrigkeiten des Lebens bleibt.

Viele Menschen denken, dass ihr energetisches Herz sich nahe der Oberfläche der Brust befindet, aber die alten hinduistischen und buddhistischen Traditionen sagen uns, dass dies nur die vordergründige Schicht ist. Um uns mit dem wahren Herzen zu verbinden, müssen wir visualisieren, wie wir uns von der unteren Brust ausgehend nach innen in Richtung Wirbelsäule bewegen. Dieser tiefe Ort ist das wahre Herzchakra. In der Katha-Upanishad, einem alten indischen Text über Selbstbefreiung durch Meditation, wird es häufig als die „innere Höhle“ bezeichnet.

Die verborgene Kraft des Herzens

Die innere Höhle des Herzens wurde erstmals in den Upanishaden erwähnt. Zum Beispiel sagt in der Katha-Upanishad der Herr des Todes: „Die Weisen, die durch Meditation das zeitlose Selbst erkennen, das jenseits aller Wahrnehmung liegt, verborgen in der Höhle des Herzens, lassen Schmerz und Vergnügen weit hinter sich.“

Das ist nicht nur eine Metapher; es bedeutet, dass wir unser wahres Selbst in der Tiefe des Herzchakras finden sollten. Durch das Meditieren über diesen verborgenen Raum können wir eine Quelle des Lichts und der Weisheit aufdecken.

Diese kleine Lampe in uns enthält das gesamte Universum und das höchste Selbst, vertreibt Dunkelheit und bringt in alles Licht.

Die Meditation über die innere Höhle findet sich sowohl im Hinduismus als auch im Buddhismus. Die simpelste Form besteht darin, den tiefsten Ort des Herzchakras zu identifizieren und dort über eine Lichtquelle zu meditieren oder das Mantra AUM zu nutzen.

Eine andere Methode ist, einen leuchtenden, weißen Tropfen zu visualisieren, so klein wie ein Sesamsamen, der im Vajrayana-Buddhismus den unzerstörbaren Tropfen des Herzens repräsentiert. Es heißt, dass dieser Tropfen den Tod überlebt und der Schlüssel zur Unsterblichkeit ist.

Die fortgeschrittenste Praxis der inneren Höhle ist die Meditation des klaren Lichts des Vajrayana-Buddhismus. Dabei visualisieren die Meditierenden, dass das gesamte Universum, einschließlich ihres Körpers, in dem Tropfen absorbiert wird, bis nur noch der Tropfen übrigbleibt.

Sinn und Zweck der Herzmeditation

Diese Meditation hat zwei Hauptziele:

Erstens heilt sie das Herz zutiefst. Durch die Konzentration auf die innere Höhle zapfst du einen Teil deines Herzens an, der noch nie verletzt wurde und eine Quelle großer Kraft ist. Das ist wichtig, weil wir das Herz oft als verletzlichsten Teil von uns betrachten, der geschützt werden muss. Wenn wir lernen, der Unbesiegbarkeit des Herzens zu vertrauen, fühlen wir uns besser in der Lage, mit Herzschmerz umzugehen.

Das zweite Ziel ist, unser tiefstes spirituelles Selbst zu erkennen. Die innere Höhle verbindet uns mit unserem subtilsten Bewusstsein, das von Erfahrungen und Umständen unbeeinflusst ist und sogar den Tod transzendiert.

Anstatt abstrakte Konzepte des höchsten Selbst zu kontemplieren, verschmelzen wir unser Gewahrsein mit diesem tiefen Punkt in unserem feinstofflichen Körper.

Die Herzmeditation praktizieren

Um zu praktizieren, musst du zunächst die genaue Position der inneren Höhle des Herzens bestimmen. Bring deine Aufmerksamkeit zwischen die Brüste, ans untere Ende des Brustbeins. Dieser Bereich ist die äußerste Schicht des Herzchakras. Nutz deine innere Vision, um tief in den Brustkorb vorzudringen und dich in Richtung Wirbelsäule zu bewegen. Kurz bevor du die Wirbelsäule erreichst, findest du den wahren Ort des Herzchakras, tief im feinstofflichen Körper.

Während der Meditation reist du durch die äußeren Schichten des Herzens. Die äußerste Schicht ist verletzlich und erlebt die unmittelbaren Schmerzen und Freuden des Lebens. Die mittlere Schicht enthält tiefere emotionale Eindrücke und Herausforderungen. Wenn du tiefergehst, lässt du die oberflächlichen Erfahrungen hinter dir und erreichst die innere Höhle des Herzens. Gib dich hin und lass dich in den Kern des Herzens zurückfallen, um seine wahre, unverfälschte Natur zu erfahren.

Anleitung für die Herzmeditation

1. Vorbereitung:

Diese Meditation dauert normalerweise zwanzig bis dreißig Minuten. Sitz in einer angenehmen Position und schließ die Augen. Fühl dich dazu hingezogen, das Mysterium des Herzens zu entdecken und damit in Kontakt zu kommen. Visualisiere, dass der Kopf verschwindet und leeren Raum zurücklässt. Dies erlaubt dir, deinen Schwerpunkt hin zur Brust zu verlagern. Spüre, wie dein Kopf jetzt dein Herz ist.

2. Reise nach innen:

Mit jedem Atemzug reist du in dein Herzchakra. Beweg dich durch die äußerste Schicht und nimm dabei die unmittelbarsten Schmerzen und Freuden des Lebens wahr. Schreite durch diese Mauer des äußersten Herzens, um die innere Welt des Herzens mit ihren tieferen emotionalen Eindrücken sowie ihrem Selbstwert zu finden.

3. Entdecke das innere Licht:

Streb danach, die Quelle des inneren Lichts des Herzens zu erreichen. Lass los und lass dich in den vibrierenden Kern des Herzens fallen. Verweile in diesem Energiefeld und gestatte dem innersten Herzen zu leuchten und seine Präsenz mit dem Universum zu teilen.

4. Ruhe und reflektiere:

Ruhe in dieser Offenherzigkeit. Reflektiere weiter über die unbesiegbare Energie des Herzens und trag sie in dein tägliches Leben. Lass den Frieden und die Kraft der Meditation deine Handlungen und Gedanken durchdringen.

Kurzfassung: Die wahre Natur des Herzens erfahren

Die äußerste Schicht des Herzens, nicht weit unter der Haut, ist der Teil, der der Welt zugewandt ist. Diese Schicht kann schnell von emotionalen Schlägen verletzt werden und ist dem täglichen Schmerz, Verletzungen und den wechselnden Umständen ausgesetzt. Aufgrund dieser Verletzlichkeit bauen wir häufig Schutzmauern um sie herum.

Wenn wir uns jedoch auf die innere Höhle des Herzens fokussieren, können wir in eine Schicht vordringen, die nie verletzt oder beschädigt wurde und die eine Quelle unzerstörbarer Kraft ist. Diese tiefere Schicht steht im starken Gegensatz zu der gewöhnlichen Erfahrung, dass das Herz zerbrechlich und verletzlich ist.

Diese innere Kraft anzuerkennen kann unsere Wahrnehmung des Herzens verändern – von einer Quelle des Schmerzens hin zu einem Ort tiefer, unzerstörbarer Kraft. Die innere Höhle wird zu unserem Ruheort, an dem wir innere Ganzheit finden. Im Vertrauen auf die Unbesiegbarkeit des Herzens fühlen wir uns befähigt, Herzschmerz und Liebeskummer mit größerer Resilienz zu begegnen. Durch die Meditation über die innere Höhle verbinden wir uns mit einem kraftvollen und beständigen Teil von uns selbst, der es uns ermöglicht, das Leben mit einem Gefühl von Frieden und Stärke zu meistern.

Shai Tubali PhD ist Mystiker und Philosoph. Er hat über dreißig Bücher veröffentlicht, die in zwölf Sprachen übersetzt wurden. Seit dem Jahr 2000 hat er in internationalen Workshops tausende von Menschen dazu inspiriert, die Kräfte des Bewusstseins zu aktivieren.
Er unterrichtet sowohl traditionelle als auch innovative Techniken, wie seine medizinisch bewährte Expansions-Methode.

www.shaitubali.com/de